Fünf Jahre

Jedes Jahr seit vier Jahren immer an Halloween sitze ich da und kann es kaum glauben. Im allerersten, fünften Jahr, da wussten wir noch nicht, dass wir am Abend des 1. Novembers Eltern sein würden. 

Und ja doch, ich mag ihn, den ersten November.

Kinder sind schon eine verrückte Sache. Und du bist ein besonders verrückter Mensch, einer, den ich jeden Tag besser verstehen kann und immer mehr wird deutlich, dass wir uns durchaus nicht so sehr unterscheiden, wie ich es seit Jahren eigentlich für hinreichend bewiesen gehalten hatte.

Wie Kinder mit fünf Jahren so sind? Verschiedenst. Wie der Herbstjunge mit fünf Jahren ist?

Verdammt groß ist er. Verdammt genial ist er auch. Und der tollste ältere Bruder.

Er springt täglich über Schatten, von denen ich dachte, sie würden uns noch länger verfolgen. Er reißt Ruder herum, wo ich denke, dass Welten verloren sind. 

Er ist der Wahnsinn! Ich glaube, dass schreibe ich seit wiederum auch vier Jahren. Aber ist doch so.

Kinder sind der Wahnsinn. Sie rauben einem die Worte und schenken gleichzeitig so viele von ihnen. Und auch wenn mir abends ab und an der Kopf platzt von so vielen Dingen, die erzählt werden durften, so weiß ich doch: anders wär auch scheiße.

Ich bin gewachsen. Du auch. Ich habe so viel über mich gelernt. Du wusstest immer, wer du warst und bist. Und das ist krass! Du bist wundervoll und wunderbar. Ja, auch wenn ich hadere und seufze und rumschnauze und manchmal kackdoof bin. Dito übrigens.

Ich wünsche uns die nächsten fünf und fünf und fünf und wieder fünf nächsten Jahre. Ich wünsch uns so wahnsinnig viel Zeit und Chaos und Liebe und Dankbarkeit und Freude.

Ich liebe Dich.

Lost in time and space

Ein Kind hat dieses Jahr bereits im Lockdown Geburtstag gefeiert. Und das zweite wird es (fast) im Lockdown-light machen.Schöne Startpunkte für neue Lebensjahre!

Für mich sind die Geburtstage der Kinder immer eine emotionale Sache. Gut, es wird mit jedem Lebensjahr weniger, aber eigentlich sind es für mich immer anstrengende Tage im Jahr. Vorher, am Tag selbst, danach. Anstrengend und sehr schön.

Dieses ganze Drumherum macht es nicht besser. Fahrige Nervosität macht sich breit - meine armer Schreibtischnachbar heute auf der Arbeit. 

Diese ganze Unwissenheit bei gefühlt allen, Ungewissheit bei ebenfalls allen, diese ungeheure Durchschlagskraft des Virus - grandios, wirklich. Nicht.

Nach dem Wochenende dann wieder ganz in alter Frische, ja?

Timing - können wir

Und mit wir meine ich Eltern. Alle Eltern im Allgemeinen. Denn auf Instagram musste ich ein bisschen jammern über die heutige Situation: ich frei, Jonas frei (das erste Mal seit ... Monaten, ehrlich, ich weiß es nicht, wann wir das letzte Mal für mehr als eine Stunde gemeinsam kinderfrei hatten - vermutlich irgendwann vor dem Lockdown also irgendwann Ende letzten Jahres oder so?). Also die Kinder wären außer Haus gewesen und wir hätten irgendwie echt mal einige Stunden für uns gehabt. Also so ganz theoretisch. Wir hatten auch so den einen oder anderen Plan. Wie gesagt, theoretisch.


Und ähm Spoiler jaha neee ... Hatten wir nicht! Denn natürlich, und viele Eltern werden einstimmen: ein Kind wurde krank. Also verbrachten wir den Vormittag zu Dritt, dann ab nach dem Mittagessen zu Viert und trafen uns dann nachher noch mit einem Kindergartenfreund und seiner Mama zum Radfahren auf dem Schulhof der nahe gelegenen Grundschule. Da fährt es sich einfach besser als auf dem Hügel hier.

Und ja, das Frühlingsmädchen war nicht so fit wie sonst, aber bis auf den Mittagsschlaf lief alles sehr gut. Auch wieder typisch: dieses Kranksein aber nur so halb krank sein weil eigentlich ist doch Programm angesagt weil allen die Decke auf den Kopf donnert. Mit Karacho und Ansage. Inklusive dem kranken Kind, welches aber eben doch Party macht.

Und ja, ich finde es zum Kotzen. Total. Seit den Sommerferien hatten wir vielleicht drei normale Wochen. Oder sogar nur zwei?! Ich weiß es nicht und es ist mir auch egal, weil es ist zu wenig. Zu wenig für meine Wohlfühlzone.

Und noch eine

Eine Empfehlung dalassen

Sie schreibt über Rassismus. Über ihren toten Zwillingsbruder. Über ihre Mutter. Über ihre Großmutter. Über Schwangerschaft. Und es ist nicht zuviel. Es ist genau richtig. Es ist genial!

Aus dem Jahr 2011

 "Nur wer meine Sehnsucht kennt, der weiß, wie ich leide!" Johann Wolfgang von Goethe

 

Vem är hon?


Wer ist sie?

 

 

Man erzählt

und vergisst den Menschen

der dahinter steht

und sich versteckt

 

Sie haben erzählt, dass sie verrückt wäre

laut und bunt

 

Es heißt, sie wäre fleißig

könne aber nicht mal Bruchrechnen

 

Mir wurde gesagt, dass sie Heimweh hätte

aber noch nicht nach Hause könne

 

Man sagt, sie liebe die Natur

hätte aber Respekt vor dem Wasser

 

Man erzählt sich viel

und vergisst darüber den Menschen

der dahinter steht

und sich versteckt

 

Sie sind der Meinung, dass sie eine Außenseiterin ist

die sich nicht zu integrieren weiß

 

Es heißt, sie würde immerzu fliehen

und nirgendwo zur Ruhe kommen

 

Doch Ich habe Sie gesehen

 

Ich weiß, dass sie Musik liebt

und sich stundenlang lesend

auf einer Wiese wälzen kann

 

Ich habe sie gesehen

wie sie lauschend

auf die Vibration der U-Bahn

warten kann

 

Ich habe sie gerochen

 als sie mit einer Sonnenblume

an mir vorbei spazierte

 

Ich habe sie gespürt

wie sie im bunten Herbstlaub

mit einem Luftballon Fangen spielte

 

Ich habe sie gehört

als sie knackend

einen Riegel Schokolade brach

 

Ich habe sie geschmeckt

wie warme Zimtschnecken

im Winter

 

Ich habe sie gesehen

wie sie von den Wellen am Horizont

verschluckt wurde

 

Man spricht über sie und vergisst,

dass es einen Menschen gibt

der dahinter steht

und sich versteckt

Mental-Load, 50/50 und To-Do-Listen

 Gestern hörte ich die aktuelle Folge der Sonntagsmuttis

Es ging um "Rolle vor oder zurück" und ja, wer hat es erraten, genau: Vaterrolle, Mutterrolle, Corona hat alles rückgängig gemacht, was innerhalb der letzten sechzig Jahre erreicht wurde - BLUBBS. Das hört man schon etwas länger, also eigentlich seit dem Ende des Lockdowns. Die ersten Wochen danach. Ich habe auch schon ein wenig über unsere Situation vor einem halben Jahr geschrieben.

Es ging auch um Mental-Load, um Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit, um Gerechtigkeit an und für sich im familiären Alltag.

Ich kam darüber ins Grübeln, denn auch bei uns ist es immer wieder Schwankungen unterworfen. Politischen und privaten. 

Wir arbeiten beide 20 Stunden die Woche. Ich an vier Tagen, Jonas an drei bis vier Tagen. Dafür ist er auch zwei komplette Tage außer Haus. Dafür bringt er die Kinder drei Tage die Woche in ihre Betreuungen und holt sie häufig auch wieder ab. Also von mir aus, Fakten: haben wir zehn Fahrten die Woche, davon mache ich immer vier, manchmal fünf und Jonas den Rest. Also quasi auch beinahe 50/50.

Die Rucksäcke für den nächsten Tag packe ich abends. Jonas macht morgens das Frühstück, wenn er daheim ist.

Wir bringen abwechselnd die Kinder ins Bett.

Ich habe einen festen Abend die Woche, wo ich zum Yoga gehe, danach aber noch die Kinder ins Bett bringen kann. 

Jonas ist Elternbeiratsvertreter (?!) unserer Waldgruppe und hat da auch noch ein wenig in seiner Freizeit mit zu tun.

Er verdient doppelt soviel wie ich (Schweinerei, aber gut, kann man nichts machen)! Wir wollen beide arbeiten gehen, aber beide nicht hundert Prozent. Wir wollen beide Zuhause sein und auch arbeiten. Keine*r möchte Alleinverdiener*in sein. 

Wir haben beide keine Zeit zu putzen, Nerven dafür sowieso nicht, also sieht es hier kacke aus (meistens). Irgendwann juckt es mich zu doll in den Fingern, dann putze ich die Bäder und sauge ein wenig. Und Jonas wischt Küche, Flure, Bäder. Und er kocht viel und backt auch eine Menge (lecker!)

Ich räume auf, weil ich es gerne tue und es mich komplett verrückt macht, wenn es nicht ordentlich ist. Dann raste ich aus (gibt leider genügend Zeugen dafür). 

Die Wäsche ist ein sehr, sehr leidiges Thema. Ein Desaster wäre ehrlicher! Gewisse Dinge laufen, die Waschmaschine zum Beispiel andauernd, aufhängen geht auch noch, aber falten und verräumen ... Nee! Könnte ich gleich tatsächlich mal machen ...

Tja, Mental-Load hätten wir da noch. Kennta, wa?

Ist das jetzt alles so 50/50 wie man es sich vorstellt? Wie es Ratgeber vorschlagen? Bräuchten wir einen Plan fürs Putzen, für Dinge, die wir beide hassen, für Dinge, die wir beide lieben? Höhö ja, scheißen wir mal kurz auf die Realität und diese ganzen Annehmbarkeiten, denn es gibt noch immer genug zu tun, was am Ende des Tages, am Ende jeder Woche hintenraus fällt, von To-Do-Listen verschwindet ohne erledigt zu sein, manchmal auch gar nicht erst auf solchen landet.

Der Tag hat nur 24 Stunden. Davon schlafe ich acht (im Idealfall). Davon arbeite ich fünf. Und der ganze Rest - tja, der ist irgendwie mehr Leben als das andere.