Ein Jahr Kindergartenkind

Okay, natürlich nicht ganz ein Jahr, weil wir neun Wochen zwischendurch weg waren, aber gut: hey, EIN JAHR! Im August, sobald die Ferien vorbei sind, ist es durchaus ein Jahr, und nun sind es seine ersten richtigen Ferien sozusagen. Richtig lang, drei Wochen, und was soll ich sagen: er ist riesig geworden. Groß. Immens groß! Aber darüber schrieb ich die Tage bereits.


Es war ein Auf und Ab gewesen. Mal ist er sehr gerne hingegangen, mal nicht, im Prinzip haben wir zwei Eingewöhnungen gemacht, eine letzten Sommer, eine im Winter, dann hatten wir wieder große Probleme während des Umzugs - ich schätze mal, das würde man alles "durchwachsen" nennen. Das Schöne ist: die Erzieherinnen sehen das sehr gelassen und wissen inzwischen, dass er eben ein wenig anders ist. Ich glaube, ihm wird nicht das Gefühl vermittelt, dass das doof ist (das wäre auch arg prekär), sondern gerade ich versuche, mit ganz viel Geduld und Zuwendung ihn daran zu erinnern, dass er gerne hingeht, dass er mittags nicht wieder von dort weg möchte, dass er dort eine Menge Spaß hat. Das sieht er morgens beim Hinbringen noch nicht so, und ich bin gespannt, was nach den Ferien so abgeht.


Wir hatten also viele Hochs und das eine oder andere Tief. Er hatte Stress mit seiner nun wieder besten Freundin, ein anderer Freund kam von heute auf morgen nicht wieder; das war alles ganz schön doof und das konnte ich gut nachvollziehen. 
Nach den Ferien kommen viele, neue Kinder, weil es in diesem Jahr viele Schulkinder gab, also quasi die Hälfte der Gruppe wird ausgetauscht. Ich bin gespannt, wie sich das für ihn managt. Ein neues Kind gibt es schon, das ist bereits sehr beliebt bei ihm. Aber jetzt erstmal: OFF!

3 3/4

Wissta, was abgefahren geil ist? Einen Dreidreivierteljahrealten im Haus zu haben. 


Jacke anziehen, Schuhe anziehen, Hose anziehen, Pullover oder T-Shirt anziehen (ausziehen geht auch prima), Autotür auf und zu machen, ausschnallen (natürlich NICHT während der Fahrt) ...

Außerdem will er seinen Geburtstag feiern, mit dem halben Kindergarten bei uns Daheim und "Mama, is bringe dann Muffins mit in den Tinderdarten, mit Dummibärschen drauf."

Er ist schon so groß. SO groß. "Is bin ssssson so droooooooooooooß, Mama. Und bald werde is vier Jahre alt."

Ja mein Schatz, das bist du wirklich. Und wirst du. Noch etwa dreieinhalb Monate. 

Leute, Zucker, wirklich, ZUCKER!

Verbote

Auf Instagram schrieb ich bereits gestern kurz und eher unvollständig über eine Begebenheit, die sich gestern Abend zutrug und die mich in dem Moment schockte - und mir gleichzeitig aufzeigte, warum ich es anders versuche. Anders mache. Warum ich dahinter stehe wie und warum ich Dinge anders handhabe als es eben andere tun. Und warum viele, viele andere es inzwischen auch anders handhaben und anders machen. 

Der Herbstjunge spielte mit dem Nachbarsjungen. Lange Zeit, sehr viel, unterschiedlichste Dinge, alles im Garten der Nachbarn. Der Nachbarsjunge ist doppelt so alt, also acht Jahre in einigen Tagen, und hatte Spielzeug aussortiert. Davon durfte der Lütte sich etwas aussuchen. So Sandelzeugs, es wurde (jaaaaaaaaaaaaaa), ein Bagger. Wir können jetzt Mega-Monster-Baustelle spielen. Gut, richtig spannend waren aber natürlich die Sachen, die auch dort herumlagen, aber nicht aussortiert waren und die der Nachbarsjunge behalten wollte. Unter anderem eine Kettensäge. Boah, WOW, eine Kettensäge. Die funktionierte nicht mehr, ist wohl laut Angaben auch wirklich kaputt, also neue Batterien reinmachen bringt es nicht, aber sie war trotzdem spannend. Weil es immer noch genügend Hebel und solche lustigen Dinge gab. Leider wollte der Nachbarsjunge sie uns nicht überlassen, nein, er betonte sogar permanent und sehr ausdrücklich, dass die bei ihm bleibt. Ist ja auch seine, völlig verständlich. Nur war Essenszeit, die Nachbarn wollten essen, ich hatte Hunger, also sollte es losgehen.

Dauert halt ein bisschen länger. Weil der Lütte sich nicht trennen mag von der Motorsäge, die aber in Nachbars Garten bleiben muss. Alles sehr unpraktisch und - völlig verständlich - frustrierend. Und ich hatte Hunger! Das war auch ein Problem. Alle Probleme auf einmal; wissta ja, Gleichzeitigkeit und so. Ätzend!

In jedem Fall fragte der Nachbarsjunge irgendwann: "Guckt er irgendwas gerne im Fernsehen?" Ich antwortete ihm: "Ja, wir schauen dies das jenes blablubb ..." Und daraufhin er, ganz im Ernst und irgendwie emotionslos: "Dann sag doch einfach dass er das morgen nicht gucken darf, dann kommt er mit."

Okay, sogar jetzt verschlägt es mir noch die Sprache. Auf so eine BESCHISSENE Idee käme ich nicht mal mehr! Aber ein Achtjähriger! Ich fass es nicht. Was soll das bitteschön?!

Es gibt so viele Dinge, die mich seit dieser Begebenheit beschäftigen. Zum Einen: offensichtlich ist für den Achtjährigen der Bildschirm so wichtig, dass es für ihn das Schlimmste ist, diesen zu verbieten. Was allerdings scheinbar geschieht, wenn er nicht fluppt. Verbote hoch zehn also. Ich schätze eher, dass man beim Herbstjungen andere Geschütze auffahren müsste. Z.B. alleine ins Bett gehen müssen. DAS wäre eine richtig harte Strafe für ihn. Schlimmer als alles andere. Da kann ich über Fernsehverbot nur müde lächeln.

Zum Anderen: Was bringt mir, uns, ihm das? Wenn ich jetzt so reagiert hätte, gedroht hätte, bestraft hätte - was würde es nützen? Gar nichts. Machtmissbrauch nenne ich das. Beschissener Machtmissbrauch, der für nichts gut ist. Der mich nicht mit meinem Kind verbindet. Der uns trennt. Gewaltig trennt. Und noch viel mehr Stress auslöst und Geschrei und Missverständnisse.

Also dass viele Menschen Dinge im bedürfnisorientierten Umgang nicht verstehen oder sogar anprangern: OK! Aber ernsthaft; bestrafen, Androhungen ... Die werde ich niemals nachvollziehen können.

Wir haben den Garten ganz ohne Geschrei, ganz ohne Strafen, ganz ohne Verbote verlassen. Ich habe die Motorsäge weggepackt, nachdem der Herbstjunge sie auf den Rasen gelegt hatte. 

Ich war echt nicht stolz auf mich in den letzten Woche. Ich fand mich als Mutter sehr oft grausam - nicht meinen Werten entsprechend. Ich war laut, ungerecht, gemein, gestresst.

Aber das, diese Situation gestern Abend - auf die bin ich stolz.

Gleichzeitigkeit

Es gibt gewisse Dinge, an denen kann ich arbeiten. Weil sie direkt mich betreffen. Aus mir herauszukommen scheinen. Und es gibt Dinge, die kommen von Außen. 


Dazu gehört diese absurde Gleichzeitigkeit. Das war schon auf der Arbeit so: stundenlang niemand an der Theke, niemand will etwas ausleihen oder zurückgeben. Und dann - ZACKDIWUPP - stehen se Schlange. Kann man auch im Supermarkt beobachten. Überall dasselbe. Also ja, auch FaMIs kennen das Problem zur Genüge. 
Aber ja, Gleichzeitigkeit. Kann ich nicht ab. Bin ich aber mit konfrontiert. Andauernd. Jeden Tag hunderte von Malen. Weil ja irgendwie immer alles gleichzeitig ist.


Meint übrigens auch mein Problem mit dem Multitasking. Ist ja sehr ähnlich, ein wenig anders gelagert, aber durchaus vergleichbar. 
Kinder wollen meistens alles gleichzeitig: eine frische Windel, etwas zu essen, dasselbe Spielzeug, auf denselben Arm/ Schoß ...

Hatte ich durchaus unterschätzt. Was es wohl braucht, sind auch hier wieder Strategien. Ich höre gerade viel Das Eltern-ABC, weil ich einige Dinge in der GFK wahnsinnig spannend finde. Nicht alles, manchmal klingt es ganz schön schräg, aber gut - der Grundgedanke hinter der GFK gefällt mir sehr gut. Ich Theoretikerin.

So langsam wird es

In der sechsten Woche nach dem Umzug kündigt sich dann auch mal das erste Gefühl von Alltag an. Pünktlich genau drei Wochen, bevor der Kindergarten seine Sommerschließzeit beginnt und dann drei Wochen wieder Holterdipolter oder so ähnlich ist.


Aber immerhin, das Frühlingsmädchen darf sich bei der Tagesmama austoben und ich bin gespannt, wie die Zeit morgens dann mit dem Lütten wird. Ich freue mich darauf, ganz exklusiv Zeit nur für ihn zu haben. Und vielleicht trotzdem für den einen oder anderen Kaffee. Und ja, es geht auch in den Urlaub, schon Ende des Monats, und das ist sowieso der Knaller.


Gewisse Routinen spielen sich ein, dies ist es, was ich mit Alltag meine. Und es macht sich bemerkbar, wie viel leichter es dem Herbstjungen fällt. Alles ingesamt überhaupt. Wir hatten inzwischen sogar schon entspannte Abgabesituationen im Kindergarten, zwar noch in der Minderheit, aber vielleicht festigt sich das in den zweieinhalb Wochen noch. Und wir können allesamt gestärkt in Richtung Ganztags-Kindergartentag gucken. Auch wenn wir da es langsam angehen lassen werden - sowieso! 


Er ist manchmal schon so, so groß und gleichzeitig so ein Schmuseknuddler mit einem Nähebedürfnis hoch 23584. Ja, zwischendurch war es wieder sehr haarig; kein Wunder, neues Zuhause, neue Zuordnungen, neue Wege, neues ALLES. Das geht in seiner Welt nicht beisammen. Verstehe ich. Mag ich auch nur in guten kleinen Dosen. 


Von daher: Verständnis, vor allem von meiner Seite, gleichzeit der Kampf, selbst klarzukommen. Wie gesagt, das erste halbe Jahr hatte es schon in sich. Aber es geht aufwärts.