Dein Alltag ist ihre Kindheit

Was habe ich diesen Spruch gehasst. Tue es eigentlich immer noch ein wenig. Weil er so viel und gleichzeitig sehr wenig aussagt. Und dabei trotzdem eine (für mich) deutliche Kritik mitschwingen hat - einer, der ich nicht ausweichen kann.

 


Denn nein, ich habe keine Lust, jeden Tag noch ein riesiges Nachmittagsspaßprogramm auszubuddeln und stundenlang mit zwei Kindern, die auch nur bedingt Lust haben, durch die Gegend zu tingeln. Die Energie fehlt, die Lust, das Engagemang, die Euphorie - und derzeit haben wir auch noch bekanntermaßen Corona. Ach ja, und Winter war auch noch. Ein sehr, sehr, SEHR langer Winter. Wie haben wir den nur überlebt? Ich weiß es nicht.

Ja, es gab mal eine Zeit, da hatte ich Nachmittage lang Zeit und Muße und Bock. Die Zeiten hat allerdings nur der Lütte noch mitgemacht. Als ich meine Bachelorarbeit schrieb, viel Zeit daheim verbrachte und eigentlich nachmittags froh war, hinauszukommen und Dinge zu unternehmen. Weil ich vormittags alles, Hausarbeit, inkl. der Schreiberei für die Uni, erledigte. 

Und ja, als die Lütte noch klein war, noch nicht zur Tagesmama ging und der Lütte auch selten länger als bis um zwei im Kindergarten war. Der Zeitraum war aber eher klein und schmal und wurde abgelöst durch die Elternzeitreise und danach die Hausrenovierungsphase. Und dann fing ich bald auch an zu arbeiten. Und beide Kinder gingen in die Betreuung, mal mehr, mal weniger lang oder kurz. 

 


Inzwischen ist es so, dass ich mich ausruhen muss von der Arbeit, von den Menschen, dem Unterwegs-sein, den Eindrücken. Der Lütte muss sich ausruhen vom Kindergarten. Die Lütte muss sich ausruhen von der Tagesmutter. Nur haben wir alle drei dafür andere Strategien - schade aber auch.

Doch manchmal wünsche ich mir diese Zeit zurück. Dieses "Ich drehe mit den Kindern über die Felder und nichts zieht und zerrt an mir". Diese Zeit gabs und sie war oft schön. Aber ich weiß, dass ich eben auch glorifiziere. Ich weiß, dass mir so furchtbar langweilig war wie lange nicht. Ich hatte kaum Kontakte zu anderen Menschen, was auf Dauer sogar mich belastet und einen Mann, der von morgens/ vormittags bis abends arbeitete. Vier Tage die Woche.



Aber soll man das echt machen? Ist das so gemeint? Dieses ganze Nachmittagsgedönse und hin und her und fahren und hier und da? Nein, denn das wollte ich niemals machen. Zumindest nicht, solange kein Kind danach fragt und sich seine Zeit lieber selbst einteilt. Und zumindest eines, wie ich, viel Ruhe braucht, um den Tag zu überstehen. Aber sogar dieses Kind verlangt nach dem Kinderturnen (nein, Corona, wir erinnern uns) und immer häufiger nach nachmittäglichen Treffen mit Freunden (ach ja, Corona und so). Der beste Freund wohnt auch leider gar nicht um die Ecke (scheiß aber auch) 

Und nein, ich glaube, so ist es nicht gemeint. Die Kinder dürfen sehen und mitbekommen, was es bedeutet, einen Alltag zu haben mit allem drum und dran: Essen kochen, einkaufen, backen, putzen, aufräumen, ordnen, sortieren, Papierkramsel, Pflege allgemein von Haus und Garten - nur ist das eben auch nicht das Gelbe vom Ei und meistens total langeweilig und unverständlich und doof. Kann ich auch alles verstehen! Total. Nur - fühle ich mich nicht wohl daheim wenn alles verkommt. 

DAS ist die Kacke bei "Dein Alltag ist ihre Kindheit"! DAS ist das Ätzende. Und ja, Urlaube sind schön und gut, nur leider nicht täglich die Regel. Nicht mal wöchentlich - besonders schön wäre das! Geschweige denn monatlich. Grandios wäre das. Ist aber leider nicht. Es bleibt: Stellschrauben drehen die gehen. Und Zeit dafür finden, auf Fehlersuche zu gehen.

Ressourcen

Wo sind sie? Wo haben sie sich versteckt? Wann sind sie endgültig verloren gegangen? Denn dass sie es sind, dem ist so. 

Sie sind weg, sobald jemensch die Kinder in die Betreuung gebracht hat. Sie reichen kaum aus, um zur Arbeit zu gehen (oder ins Arbeitszimmer), wieder zurückzukommen, Kinder abzuholen und das Nötigste im Haushalt am Laufen zu halten (Wäsche, kochen, Vorbereitungen für den nächsten Tag treffen). Die Kinder? Hören das zehnte Hörbuch und rennen wie Tiger um den Küchentisch oder schauen die drölfzigste Folge Paw Patrol.

Aber nein, eigentlich sind erst recht die Vorbereitungen abends am Arsch. Wäsche waschen auch. Kochen ... Naha ja, je nach Lust und Laune. Also, es läuft alles so ein bisschen. Gestern wurde schon freundschaftlichst für uns gekocht weil ich meinte, wir ernähren uns vor allem von Rohkostobst und Gemüse und Pizza und Pommes und was weiß ich - schnelles Essen, was irgendwie machbar ist gerade.

Perfektionismus? Drauf geschissen. Aber schon längst. Dieser Artikel hier ist lesenswert dazu ... ich musste ein wenig gestern lachen, als ich das Wörtchen mit P las und dachte "Hmmmnajaha!"

Frühling! Wir brauchen Sonne, wir brauchen mehr Zeit draußen, ohne dass wir uns stundenlang vorher anziehen müssen. Wir benötigen Kaffee in der Wärme, blauen Himmel und vögelzwitschernd die Ohren lauschend aufgestellt. Wir wollen Grün an Büschen und Bäumen und Kuchen im Garten. Eis, das EIS nicht zu vergessen!

Und ja, es ist nur eine Frage der Zeit. Aber wieviel hat man noch davon? Und Nerven erst, Nerven. 

Tove Ditlevsen - ihre Kopenhagen-Trilogie

Sollte jemand Probleme haben mit dem Lesen, weil der Antrieb fehlt oder die Ideen, dann habe ich da etwas:


Also "Abhängigkeit" schön nach "Kindheit" und "Jugend" lesen, ausnahmsweise passt das hier besser. Karl Ove ist ein bisschen eher egal, vielleicht liegt es an der Seitenanzahl und dem Sechsbänder, den er rausgehauen hat in den letzten Jahren, aber Tove lieber schön nacheinander und in der Reihenfolge.

Sie ist witzig, sie ist klug, sie ist naiv, sie liest sich einfach so weg und dazu noch schön. Es ist ein Abtauchen in eine andere Art des Lebens einer Frau im Dänemark der 1930er Jahre - ihr Leben, welches so aberkrass und lakonisch erzählt wird. Ich würde auch von ihr einen Sechsbänder lesen, und am liebsten noch viel mehr. Geniale Literatur die Spaß macht und man lernt und man hat Freude!

Leben ist ein unregelmäßiges Verb - Rolf Lappert

 

Schrieb ich nicht vor kurzem noch, dass es in diesem Jahr nichts mehr geben wird nach Brilka? Ja, schrieb ich. Erzählte ich. Aber gut, dass muss ich ein klitzekleines bisschen reformieren.

Hanser Literatur


 Du große Güte, wirklich. Streckenweise musste ich das Buch über mehrere Tage und ich meine auch Wochen weglegen, weil es so voll ist. So viel ist. Weil es in einem weiter lebt. In einem weiter leidet. 

Es erzählt von Hass, von Liebe, von Verzweiflung und Traurigkeit, von Einsamkeit, von Vergeltung an sich selbst, von Frust, von Gemeinheiten. Er ist das, was ich meine, wenn ich sage: "Es ist nicht richtig, dass Kinder und Jugendliche nicht über ihr Leben mitbestimmen dürfen." 

Es hat mit Dummheit zu tun: behörlicher, plitischer, medialer.

Es ist so viel mehr als nur das Leben von vier Protagonisten - erweitert man es auf das Leben (eben!), wird daraus so viel mehr. Es wird intensiver, weiter, offener, gleichzeitig fragmentierter. Es ist runtergebrochen und kann gleichzeitig so viel größer ausgelegt werden.

Also ja, lesen. LESEN!

Hickshacksgewurschtl

Mal sehen, wie lange wir dieses Mal brauchen, um uns wieder einzugrooven und auch ebenfalls mal gucken, wie lange das dann wieder vorhält. Das eine Kind ist, ich kann es total verstehen, völlig von der Rolle und hat sowieso keine Lust mehr auf gar nüscht. Ich kann es so gut verstehen.

Dezent kacke läuft es nämlich gerade, es ist ein einziges Hickhackgedöhns. Und eigentlich ist alles wie immer völlig chaotisch aber gefühlt lief es Mitte Januar besser. Klar, da hatten wir auch die zwei Wochen Eingewöhnung in wieder neue Begebenheiten, die dann aber auch wieder nur für vier Wochen griffen und jetzt seit letzter Woche ist wieder alles anders.


Wäscheberge türmen sich, vor der Waschmaschine, neben derselbigen, frisch gewaschen belegen sie gerade drei IKEA-Tüten voll den unteren Flur vor der Küche und die Klamottenregale sind, zumindest bei mir und den Kindern und teilweise bei Jonas, leer. Der Kühlschrank ist es ebenfalls, Obstkorb und Gemüsefach dito. Die Kinderzimmer sind desaströs, ich habe wieder große Wegschmeiß-Gelüste und den Staubsauger könnte man auch mal wieder schwingen.

Ich kann mir überlegen, den freien Soloabend heute als Strohwitwe, wenn ich denn nach diesem ganzen Hickhack alleine heute, der dankenswerterweise von einer Freundin aufgefangen wird, die sogar das Kind gleich mitfängt, damit ich es nicht mit auf die Arbeit nehmen muss, was ich zudem gar nicht darf, aber hey, egal, drakonische Maßnahmen und so ... Wo war ich? Ach ja, Strohwitwe heute Abend und falls ich nach diesem Tag überhaupt noch die Energie aufbringe etwas anders zu tun als ins Bett zu gehen ... ich werde Wäsche falten :D

Durchhalten - es ist ein jahrelanger Marathon

Man selbst weiß von sich wie man verschaltet ist. Wie man funktioniert (meistens) und was einem nicht liegt (immer). Bedeutet aber auch, regelmäßig mal raus aus der Komfortzone. Auch okay, kriege ich hin. Wohl dosiert, denn wenn man ehrlich ist, sind wir seit einem Jahr schon raus aus jeglichen Komfortzonen.

Man wünscht dem Kind etwas anderes. Man wünscht sich seinem Kind einen anderen Charakterzug. Keinen von einem selbst - oder nicht alle. Weil man weiß, wie schwer man es damit haben wird. Das Kind. Weil bekannt ist, wie kacke es für einen selbst ist.

Ist das feige? Sicherlich. Habe ich eine andere Strategie? Nein, aber vielleicht ja nur noch nicht. Es kann noch kommen. Mit der Zeit. Kommt Zeit, kommt Rat und so.

Und gleichzeitig heißt es ja nicht, dass das Kind es genauso erleben wird wie man selbst. Es liegen so viele Jahre dazwischen. Nur hat es manchmal den Anschein, dass es genauso ist. Nicht anders, nicht neu, sondern genauso. 

Dann heißt es: Alternativen. Überlegen, suchen, finden. Ist aber auch alles nicht so einfach. Und wenn es nur so eine Art von ganz großer Alternative in für Kinder nicht ganz absehbarer Zeit gibt - wie will man das erklären?

Februarlese

Oh wow, der März ist da und mit ihm ein neuer Lesemonat (der insofern aussieht, alsdass ich mit einem 'alten' Buch weiter mache) und vor allem ein Abschluss des vorherigen: sechs Bücher habe ich im Februar gelesen. 

 

Gerhard Waldherr "Die erste Reise"

Téa Obreht "Herzland"

Julia Rothenburg "hell dunkel"

Nino Haratischwili "Das achte Leben (für Brilka)"

Nadine Pungs "Das verlorene Kopftuch"

Lois Pryce "Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren ... Was passierte, als ich es trotzdem tat"

 

Anders als im Januar, der gespickt war von kürzeren Bücher, habe ich zwei recht dicke Schinken gelesen, die anderen vier waren von durchschnittlicher Länge. Dank Nino ist es so, dass es nicht schwer ist, sich zu entschieden, welches das Beste war und außerdem auch ganz sicherlich auf dieser Liste landet Bücher wie zum ersten Mal lesen