Warum ich kein schlechtes Gewissen mehr habe

Der Herbstjunge geht seitdem er eineinhalb ist in eine außerfamiliäre Betreuung. Ich hätte nicht gedacht, dass das Frühlingsmädchen noch früher gehen würde. Aber doch ja, das tut sie. Und auch wenn ich erst dachte: "Sie ist noch SO klein, oh Gott, das müssen wir nochmal anders machen" stehe ich jetzt hinter unserer Entscheidung. Voll und ganz! Und ja, das hat ganz viel mit ihr zu tun. Und mit mir. 


Es ist für mich eine große Entlastung, morgens /derzeit noch/ dreieinhalb Stunden Zeit für mich zu haben. De facto mache ich davon zweieinhalb Stunden Haushalt, aber egal. Diese eine Stunde, die ich habe - ist viel wert. Und in Ruhe Hausarbeit machen können ist auch viel wert. Dass ich nicht mal da alles schaffe, klar. Egal. Ich habe Ruhe. Das brauche ich. Das benötige ich einfach. Ich habe es inzwischen eingesehen.  Und wenn es die Ruhe beim Saubermachen, fegen, putzen whatever ist. Denn danach kommt der Hammer: zwischen fünf und sechs Stunden zwei Kinder zu beaufsichtigen vier bis fünf Mal die Woche ist - eine Herausforderung. Für mich. Ja, immer noch. Und immer wieder aufs Neue.


Und was hat das mit ihr zu tun, der eigentlichen Hauptperson? Alles. Denn sie geht gerne, und zwar richtig gerne in die Betreuung. Sie liebt es, dort zu sein. Für uns ist es ein absolutes Wunder, ein Kind zu haben, dass so gerne und mit soviel Freude und so problemlos sich außerhalb unserer vier Wände von einer anderen Person betreuen lässt. Fünf Mal die Woche von halb neun bis halb eins. Sie freut sich beim Abgeben, sie freut sich beim Abholen! Es ist absolut der Wahnsinn. Habe ich noch nicht erlebt.


Wir haben keinen Babysitter vor Ort. Weder entgeldlich noch unentgeldlich. Wie gerne hätte ich einen festen Nachmittag in der Woche, wo die Lütten betreut wären von den Großeltern. Wie GEIL wäre das für ausnahmslos alle Beteiligten. Oder auch nur regelmäßig mal am Wochenende für ein paar Stunden. Meine Ansprüche sind da sehr niedrig. Aber wir haben es uns so ausgesucht, und wir stehen auch dahinter. Wir wollen weder ins Ruhrgebiet noch an den Niederrhein zurück. Wir mögen es hier. Sehr. Aber träumen wird man doch dürfen. 

Aber ja, deswegen feiere ich weiterhin ein Frühlingsmädchen, welches sich so sehr wohlfühlt in seiner Tagesmamagruppenbetreuung mit zwei oder drei anderen Kindern in einem riesigen Garten und mit einer Tagesmama, die wir inzwischen gut kennen, die wir mögen, die ihrer Aufgabe gewachsen ist - und eine Geduld hat sie, krass!

Das erste halbe Jahr

 Bevor ich zum Ende des Jahres wieder keinen Jahresrückblick schaffe, dachte ich mir, starte ich doch einen kleinen Zwischenrückblick. So nach sechs Monaten ist das einfacher. Einen Anfang zu finden meine ich. Und ein Ende. Denn das ist oft das Problem. Und außerdem ist jetzt schon ziemlich alles passiert, was erzählungswürdig ist. Naha ja, quasi. Ich meine, es ist geüfhlt schon alles passiert in diesem Jahr. Bis auf einige Geburtstage ist doch eigentlich alles gegessen. Okay, und das eine oder andere Familientreffen steht noch im Kalender und viele spannende weitere Dinge wie Ganztagskindergartenkind und sowas. Ich merke schon, ich schweife wieder ab. Los gehts!


Ich glaube das allererste, was im Januar so grandios passiert ist: wir haben uns Häuser angeschaut. Um ehrlich zu sein, vor allem ein Haus. Es war das erste und es ist das, wo wir jetzt drinne wohnen. Ist das varrückt?!?! Im Januar sah der Strauch natürlich nicht so aus.


Ziemlich am Anfang waren wir im Tierpark. Und da kann man auch gut nochmal hin, wir waren gerade mal zwei Mal dort. Und jetzt, wo das Wetter prima ist - also na ja, so semiprima (zu WARM). Aber da hilft ja Wald bekanntlich gut. Den gibt es da genug.


Alles in allem ist es nun mal das beherrschende Thema: ein Hauskauf. DER Hauskauf. Die Renovierungsarbeiten. DIE Renovierungsarbeiten. Und ja, alls da drumherum. Handwerker! Die haben uns beschäftigt. Sehr. Das Haus hat uns sehr beschäftigt. Und tut es immer noch.  


Leider ist in meinem Feed hier in den Dateien die Renovierung sehr unvollständig und ich werde bei Gelegenheit mal mit der Kamera, der richtigen, durchs Haus schlendern und ein paar ganz voll instagramable Fotos machen. Weil wir jetzt so toll wohnen! So genial! So absurd toll! 


Das ist der Schlüsselübergabe-Urzustand des alten Wohnzimmers, der jetztigen Küche und Esszimmers. Da war noch nichts gemacht. Dann legten wir irgendwann los. Und dann die Handwerker. Tjaha! Da war also noch alles gut ;)


Zu der Zeit haben wir noch viel im Garten gewerkelt, so im März ungefähr. Wo es schon ein wenig frühlingshaft war. Und noch weit entfernt von den aktuellen Temperaturen. 


Teile des Regals sind inzwischen im Esszimmer. Die Kommode steht in der Garderobe. Der Boden ist frisch gemacht. Die Tapete ab. Lehmputz dran. Das hier ist jetzt unser Schlafzimmer.




Wie es so zwischenzeitlich aussah. Zwischendurch. Mittendrin. Im Frühling, wie man am hinter den Fenstern liegenden Garten sieht.

Und dann im April: der zweite erste Geburtstag im Hause M. Und jaaaaaa, auch wenn mich im Januar noch alle ausgelacht haben (da hatten wir noch kein einziges Haus besichtigt), als ich sagte: "Ich will ihren ersten Geburtstag im Garten feiern." Ich triumphierte dann ein wenig, als es tatsächlich klappte.





Und jetzt wohnen wir schon seit fast fünf Wochen, na gut - viereinhalb, in eben diesem wunderbaren Splitlevelhaus und ich habe schon massig Tücken entdeckt, die es erschweren - das Wohnen und das Alleinsein ab Mittag mit Zweien, und die geilen Dinge, die es erleichtern, ebenfalls das Haus.


Okay, also das waren unsere sechs Monate. Januar bis Juni. Also bis jetzt. Angerissen, klar. Aber irgendwie schon ganz schön doll viel gewesen.

Pfannkuchenbäcker


Ich liebe deine Willensstärke. Wenn du etwas willst, dann willst du es, jetzt sofort und ohne Kompromisse. Auch vor anderen Kindern kannst du dich behaupten, du hältst fest an dem, was du glaubst und an deiner Meinung. Lass Dir das niemals wegnehmen!

Ich mag es sehr, dass du nicht erpressbar bist. Verlocken kann und darf man dich schon, aber erpressen lässt du dich nicht. Faule Kompromisse eben, die gibt es nicht. Das ist manchmal schade für den oder die andere, aber gut - was willste machen?!  

Deine Energie, deine Kraft sind spektakulär und nicht nur manchmal frage ich mich, wo die herkommt, wo sie hin will und was sie noch alles so vorhat. 

Deine Wutgewitter sind legendär, und leider schaffe ich es nur selten, sie nicht auch über mich hereinbrechen zu lassen. Wir schwingen auf so vielen gleichen Ebenen, dass diese sich dann aber immer verknäulen wie dünnste Bindfädchen. Dieses dann auseinander zu klamüsern ist mühsam und eine Aufgabe, der ich mich nicht immer gewachsen fühle.

Dein halber Lockenkopf, deine Kindergartenpausbäckchen, deine Frage jeden Tag "Bin iss jetzt ssssson vier, Mama?" und die Feststellung "Ich bin ssson so drooooß und werde noch drößer, so droß wie Papa" erweichen mein Herz. 

Du willst so, so viel und traust dir so viele Dinge zu, die ich mir jetzt noch nicht zutraue. Und gleichzeitig traust du dich nicht, Kinder auf dem Spielplatz nach deren Spielzeug zu fragen. Das Problem: ich traue es mich auch nicht! Aber ein Klettergerüst, groß wie weiß nicht wer, das ist kein Hindernis. 

Ich glaube, wir haben dir in deinem Leben schon sehr viel zugemutet. Und dass du uns das nicht nachträgst, ist ein Wunder. Denn Nein, wir bauen nicht ein Leben um dich herum, sondern wir versuchen, uns und unsere Leben alle miteinander zu vermischen. Auch wenn mir das unglaublich schwer fällt. Es ist wie beim Essen: gemischst ist so semi opti, alles schön nacheinander wäre besser. Gleichzeitigkeit ist nicht unsers.

Über erste und zweite Kinder

Wäre der Herbstjunge das Frühlignsmädchen gewesen, also von der Reihenfolge her, hätte ich sehr früh angefangen, mir Gedanken zu machen. Aber der Herbstjunge ist nicht das Frühlingsmädchen, und von daher ist es eigentlich müßig, sich weiter darüber Gedanken zu machen. Tue ich trotzdem. Weil es anderen vielleicht auch ging. Geht. Oder ähnliches.


Kinder zu vergleichen ist voll blöd. Aber wenn Menschen den Lütten kennen, dann wird schnell klar: er ist durchaus ein wenig anders. Wie ich. Aber eben doch nicht. In eine ausufernde Richtung. In eine Art von extrovertierten, gleichzeitig sehr menschenabweisenden, vor allem aber fremdenabweisende, Richtung. 


Ich bin eine Theoretikerin durch und durch. Allerdings keine für die Wissenschaft - aber das ist eine andere Sache. Ich LIEBE Bedienungsanleitungen und hätte sehr gerne eine für den Herbstjungen. Sehr, sehr gerne. Gibbet leider nicht.

Wiedergefunden habe ich aber dafür etwas anderes: So viel Freude, so viel Wut, das ist jetzt auch schon seit über einem Jahr draußen, stelle ich gerade fest. Ich habe es verschlungen und endlich irgendwie etwas gefunden, was passt. Nämlich nicht so richtig meine Hochsensibilität, die mag auch mit in ihm hängen, aber nicht direkt präsent. Gut, vielleicht existiert auch nur im Kopf diese Verstrickung und Ergänzung, die es zwischen zwei Hochsensiblen so perfekt macht. Denn eher das Gegenteil ist der Fall: meist knallt es zwischen uns, aber so richtig. Mit allem Drum und Dran!


Ich mag auch den Drang nicht, alles und jeden zu "diagnostizieren", aber ernsthaft: früher kam ich nicht weiter. Heute auch nicht, nicht immer. Also um ehrlich zu sein, häufig nicht. Und wie auch schon das Wissen um die Hochsensibilität mir geholfen hat, mich ein bisschen besser zu verstehen, so ist es auch mit der Gefühlsstärke beim Lütten. 

Und bezüglich "Diagnosen", ich würde es viel eher Feststellungen nennen, passt das leider sehr in unsere Zeit hinein. In eine Zeit, in der Menschen jeglichen Alters andauernd angepasst werden, angepasst werden müssen. Und vor allem nicht als perfekte Persönlichkeit, die, die sie sind, gesehen werden. Mit all ihren Facetten. Es muss immer alles gleich sein. Verrückt!

Abgestillt 2019

Bevor hier irgendjemand Panik bekommt: das Frühlingsmädchen ist es nicht, welches abgestillt wurde. Neeeee ... Sehe ich jetzt auch nicht, dass sie das bald anstrebt.


Es war jetzt nicht so, wie ich es mir erhofft habe: er stillt sich selbst ab. Oder na ja, vielleicht war es so ähnlich doch, denn er hat nicht mehr jeden Abend gefragt, morgens hatte sich das ein wenig von alleine erledigt. 

Letzten Endes war es eher unspektakulär, ich habe an und ab "Nein, ich möchte jetzt nicht stillen" gesagt und ja, meine Hoffnung, dass es irgendwie von ganz alleine irgendwann endet hat sich nicht ganz erfüllt. Weil letztlich doch eher ich nicht mehr wollte, ich keine Lust mehr hatte. Nach einem Jahr Dreier-Still-Beziehung war ich doch irgendwie fertig.

Witzig war dann aber doch, dass es sich ausgeschlichen hat, eine kleine Übergangszeit, es nicht von heute auf morgen geschah - und ich deshalb auch erst ein wenig später checkte: "Wir stillen überhaupt nicht mehr."

Dreieinhalb Jahre, eine ganz schön lange Zeit. Es ist schon seltsam, an und für sich, und würde ich jetzt gar nicht mehr stillen, wäre es komplett verrückt. Aber nein, so ist es zum Glück gar nicht.

"Away we go" goes Reihenendhaus

Wir hatten bereits die Ehre, obwohl wir gerade mal zwei Wochen hier wohnen, die erste Nachbarn etwas näher kennen zu lernen. 
Also außer den Nachbarn, die direkt neben uns, also in den zwei Reihenmittelhäusern, wohnen. Um uns herum grenzen auch wiederum andere Reihenhäuser an, also deren Gärten, und der erste große Unterschied zwischen kaufen und mieten fiel mir bereits im Februar auf: der Umgang ist ein völlig anderer. Es ist auch völlig klar, denn mal ehrlich: wer weiß, wie lange man miteinander es aushalten muss, so Gartenzaun an Gartenzaun, Wand an Wand.
Ein weiterer Unterschied ist auch der, dass wir den Altersdurchschnitt ganz schön senken in der unmittelbaren Gegend. Die allermeisten Bewohner*innen der Wohnsiedlung hier, die 1970 fertig gestellt wurde, leben auch bereits seit eben 1970 hier. Das bedeutet, viele sind über neunzig, definitiv alle über achtzig (und das in einem Splitlevelhaus mit so VIELEN Treppen ...) Bis eben auf einige noch eher wenige Ausnahmen, die innerhalb der letzten zwanzig Jahre hierher kamen und Kinder im Alter ab sechs haben. Und dann gibt es uns!


Nicht nur alterstechnisch eine andere Sache, sondern auch familiär, jobbedingt, lebensphasendings.

Kennt ihr "Away we go"? Ein ganz toller Film über ein junges Pärchen, welches mit dem ersten Kind schwanger ist und nun nach dem richtigen neuen Lebensmittelpunkt sucht. Also einem Lebensort, wo sie sich vorstellen können, eine Kinderfamilie zu werden. Ganz witzig, ganz toll, einfach nur mal gucken. Weil dann versteht man auch besser meinen Vergleich.


Wir sind jetzt nämlich die Hippies unter den Reihenhäuslern hier. Die mit dem Familienbett. Die mit der Trage. Die mit den immerzu nackten Füßen (dass das so ein Thema ist, spannend nebenbei). Die mit den noch eher kleinen Kindern, die durchaus auch nicht die unauffälligsten sind, wenn sie sich ein wenig akklimatisiert haben. Aber gut, dann sind wir halt DIE. Darf man mit leben dürfen! 

Es wird


Wir konnten diese Woche schon einiges abschließen: die alte Wohnung, die neue Küche, die Wandbearbeitung (letzteres ist vor allem Jonas zu verdanken) ... 

Gestern war irgendwo der erste Tag, wo ich ein wenig durchatmen konnte am Vormittag. Der erste seit ... wann eigentlich? 
Heute ist es damit auch schon wieder vorbei, der Herbstjunge ist krank und liegt hier auf dem Sofa und hört sich durch seine Hörspiele und schaut Pettersson & Findus. Und will natürlich ganz viel kuscheln (vor allem mit Jonas, der nicht da ist - logisch).

Ansonsten leben wir vor allem noch mit Übergangslösungen (die Wäsche trocknet gerade in der Essdiele bzw. neuen Garderobe, weil der Kellerraum unten viel zu kalt ist) und so richtig voran kommt man mit drei freien Stunden vormittags auch nicht (die drei Stunden, die Jonas abends noch dranhängt und tut und macht, nachdem er zuhause ist und die Kids mehr oder weniger schlafen).

Wir sind alle fleißig, und langsam sieht man es auch. Und fühlen ebenfalls.